Das Museum Villa Medica erstrahlt im neuen Glanz
Mitten im Herzen von Rhede, am Markt, erhebt sich eine alte Fabrikantenvilla, erbaut im Jahr 1923 von Bernhard Harde. Seit Jahrzehnten beherbergt dieses historische Gebäude das, was früher als Medizin- und Apothekenmuseum bekannt war - und seit Juni 2025 unter dem neuen Namen „Villa Medica“ betrieben wird. Obwohl Rhede nur einen Katzensprung von uns entfernt liegt, haben wir es nach der Renovierung bisher irgendwie nicht geschafft hier nochmal reinzuschauen. Aber zwölf Grad und anhaltender Nieselregen bieten heute sicher die optimale Gelegenheit. :-)
Familienausflug in die Villa Medica

Gemeinsam mit meiner 12-jährigen Tochter und meinem Partner besuchen wir die Villa Medica, wie bereits erwähnt, an einem verregneten Donnerstagnachmittag. Nach über zwei Jahren Umbauzeit präsentiert sich die Villa Medica in ganz neuem Glanz: modernisiert, merklich entschlackt und mit einem frischen Ausstellungskonzept. Die Dauerausstellung wurde völlig neu gestaltet und die Exponate wurden bewusst reduziert. Statt der ehemals überladenen Sammlung, erhält nun jedes Stück mehr Raum, um seine Geschichte zu erzählen.
Rundgang & Erlebnis
Durch die schwere Holztür, im imposanten Eingangsbereich gelangen wir direkt ins Foyer des Museums, hier empfängt uns eine freundliche Mitarbeiterin mit Informationen rund um die Ausstellung. Für die Besucher startet der Rundgang im sogenannten „Dorfraum“ – ab hier begleitet uns die fiktive Familie Rheesing. Jeder Besucher kann sich Ausschnitte aus dem Leben dieser Familie ansehen und erleben, wie sich Medizin und Gesundheit auf dem Land entwickelten.
In der oberen Etage lernen wir dann den Apotheker und den Landarzt kennen. Die originalen Einrichtungsteile aus der historischen „Hirsch-Apotheke“ aus Rhede, geben einen echten Einblick in frühere Zeiten. Auch der Zahnarzt von damals ist hier vertreten - mit einer vollständigen Praxis aus dem 19. Jahrhundert, inklusive Bohrer, Tretradgetriebe und allem, was dazu gehört.
Die Hebammen zählten damals zu den wichtigsten Personen. Sie waren oft die einzige medizinische Hilfe für Frauen und verantwortlich für das Überleben von Mutter und Kind, daher genossen sie ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Die Hebammen stammten gemeinhin aus der Dorfgemeinschaft - ganz anders als die Ärzte und Apotheker, die oftmals von weither kamen. "Hohes Ansehen" genossen die Frauen daher auch, weil die Menschen ihnen mehr Vertrauen entgegenbrachten als den "Fremden".


Voller Freude über die heute vorherrschenden medizinischen Bedingungen, aber mit einer gehörigen Portion Respekt vor den Menschen jener Zeit, genießen wir im weitläufigen Treppenhaus noch einen Blick auf den beeindruckenden Magnolienbaum, der im Frühling den gepflegten Museumsgarten sicherlich in einen ganz besonderen Ort verwandelt.
Der zweite Stock widmet sich dem Bereich der Pflege und dem Krankenhauswesen, einschließlich der Hospitalgeschichte. Lange Zeit war die Pflege kranker und älterer Familienmitglieder vorrangig eine Aufgabe innerhalb der Familie. Ein fundiertes Grundwissen in Sachen häuslicher Pflege gehörte somit zum Alltag vieler Frauen.
Im letzten Teil des Rundgangs präsentiert sich der Übergang zur modernen Medizin. Hier kommt auch meine Tochter wieder auf ihre Kosten, denn voller Stolz präsentiert sie uns an der Reanimationspuppe ihr Können in Sachen „Wiederbelebung“. Wir sind beeindruckt!
Wieder zurück im Foyer, entscheiden wir uns noch, die neu hinzugekommene separate Ausstellung zum Thema Ernährung anzusehen. Hier schwelgt man in Erinnerungen und erfährt einiges zur Entwicklung und Veränderung von Ernährungsgewohnheiten vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Ganz besonders überrascht waren wir über Werbefilme der Nachkriegszeit, in denen Butter und Zucker scheinbar als Allheilmittel angepriesen wurden.
Insidertipp
Genug Zeit mitbringen – durch die interaktiven Stationen und die vielen Details sollte man sich umfassend treiben lassen.

Architektur, Ambiente & Atmosphäre

Die Villa mit ihrem Neo-Barock-Stil, die angrenzende alte Mühle, der neu gestaltete Garten – all das schafft eine besondere Atmosphäre. Licht, Farben, Wegeführung, hier wurde alles bedacht, um Besucherinnen und Besucher nicht nur zu informieren, sondern zu begeistern.
Barrierefreiheit ist durch einen nachträglich eingebauten Aufzug gewährleistet, so dass alle Ebenen für jeden zugänglich sind. Ein echtes Plus sind die Ausstellungstexte in Deutsch und Niederländisch. Da Rhede bekanntlich direkt an der Grenze liegt, können auch unsere niederländischen Nachbarn die Medizingeschichte im ländlichen Raum verständlich erleben.
Was uns besonders begeistert hat: dass man die Geschichte von unten erlebt – nicht aus der Perspektive der Großen oder Wohlhabenden, sondern aus dem Alltag der Menschen, die Medizin, Pflege und Gesundheit selbst erfahren haben!
Fazit
Besonders gelungen ist die Verbindung von Digitalem und Analogem. Die Medienstationen, interaktiven Quizze, viele Informationen, aber auch die echten Exponate - originale Möbel und historische Instrumente - machen die Geschichte erlebbar. Dadurch bekommt das Museum eine Tiefe, die berührt.
Die Villa Medica ist kein Museum von gestern – sie ist eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie zeigt, dass Medizin und Gesundheit keine statischen Themen sind, sondern sich ständig verändern - durch Technik, Erkenntnisse, Lebensstil und gesellschaftlichen Wandel.
In Rhede entstand damit ein Ort, der lehrt, berührt und inspiriert – ein Ort, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Besuchsinformationen
Öffnungszeiten: Di–So jeweils 14–17 Uhr
Eintritt: Erwachsene 5 Euro, Schüler, Azubis, Studenten und Menschen mit Behinderung 3 Euro, Familien 12 Euro
Ideal für Familien und alle die sich für Geschichte, Gesundheit und Kultur interessieren.




