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Westfalen in Worten
Das Museum für Westfälische Literatur Haus Nottbeck

Westfalen in Worten - Das Museum für Westfälische Literatur Haus Nottbeck

von GastautorIn am 20.10.2023

Hier wird Literatur lebendig: Das Museum für Westfälische Literatur Haus Nottbeck bei Oelde erzählt Literaturgeschichte(n) rund um Westfalen auf seine ganz eigene Art. Die entdeckerstorys.de haben sich ein Bild davon gemacht, was einen Besuch auf dem historischen Rittergut ausmacht.

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Westfalen-Schelte zum Auftakt

Der spätere Papst Aeneas Silvias hatte wahrlich keine gute Meinung von den Westfalen: In seinem um das Jahr 1450 entstandenen Reisebericht beschreibt er sie als grobschlächtige und unkultivierte Barbaren, fern jeden Geistes. Wie gut, dass als Antwort darauf 1474 Werner Rolevinck mit seinem „Buch zum Lobe Westfalens, des alten Sachsenlandes“ für den geschmähten Landstrich und seine Bewohner und Bewohnerinnen in die Bresche des sprang. Für ihn waren die Westfalen „starkgebaute, kerngesunde schöne Gestalten, als wenn sie vom Tau des Himmels sich ernähren“. Das klingt doch schon ganz anders!

Vom Rittergut zum Museum

Worte aus Westfalen und Worte über Westfalen: Zu lesen — und in Teilen auch zu hören — sind sie im Museum für Westfälische Literatur Haus Nottbeck bei Oelde. Einst Adelssitz der münsterschen fürstbischöflichen Amtsdrosten von Oer ging das historische Rittergut aus dem 14. Jahrhundert vor 150 Jahre in den Besitz der Familie zu Eissen über. Die letzte Eigentümerin Anna Luise Eissen wiederum vererbte die ehemals stattliche Wasserburg mit ihrem Tod im Januar 1987 an den Kreis Warendorf. „Es gab nur eine Bedingung“, erläutert Thora Krüger vom Museumsteam: „Haus Nottbeck sollte künftig ein Ort für Kunst und Kultur werden.“

Durch die „Literatür“ zur Literatur

Die Idee eines Literaturmuseums stammte vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Die inhaltliche Konzeption übernahm Prof. Dr. Walter Gödden, Geschäftsführer der LWLLiteraturkommission für Westfalen und wissenschaftlicher Leiter des Museums. Die gestalterische Umsetzung erfolgte durch Robert Ward. Der amerikanische Designer legte großen Wert darauf, das historische Flair des ehemaligen Rittergutes durch die Ausstellung hinweg zu erhalten. So betreten Literaturinteressierte den Ausstellungsbereich durch die „Literatür“, die an ein Burgtor erinnert.

Highlight Kölner Bibel

Direkt im ersten Raum stoßen sie auf ein besonderes Highlight des Museums: ein seltenes und kostbares Exemplar der Kölner Bibel, entstanden zwischen 1478 und 1479. „Sie ist die erste in der für Westfalen relevanten niederdeutschen Sprache gedruckte Bibelausgabe überhaupt“, schildert Krüger und weist auf eine weitere Besonderheit des Exemplars hin: die 113 kolorierten Holzschnitte, die einen Höhepunkt der deutschen Bibelillustration markieren.Bei dem Erwerb der „Bilderbibel“ erhielt der Verein der Freunde und Förderer des Hauses Nottbeck Unterstützung durch die LWL-Kulturstiftung, die Kulturstiftung der Sparkasse Warendorf, die NRW-Stiftung unddie Kulturgut Haus Nottbeck GmbH.

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Literarische Zeitreise

Westfälische Literatur hat viele Facetten — das zeigt der weitere Rundgang durch die Dauerausstellung. Im Erdgeschoss erwartet die Besucher und Besucherinnen eine Zeitreise durch die westfälische Literatur von den Anfängen bis zum Jahr 1900. Wer hätte gedacht, dass Münster und Umland einst eine Hochburg des Humanismus waren? Welche Spuren hinterließ das Täuferreich in der Literatur? Und was hat es mit der Freundschaft zwischen der Fürstin Amalie von Gallitzin, Kernfigur des „Kreises von Münster“, und Goethe auf sich? Das alles zeichnet die Ausstellung nach. Bei der „Aufklärung“ übrigens wiederholt sich die Geschichte: Diesmal ist es Voltaire, der die Westfalen als „ungebildet und ungepflegt“ verspottet — und der Jurist,
Staatsmann, Literat und HistorikerJustus Möser schreibt die Verteidigung.

Später feministischer Ruhm

Auch Annette von Droste-Hülshoff rückt hier in den Fokus, die mit ihren immer noch modernen Schriften Anfang des 19. Jahrhunderts als Frau literarische Maßstäbe setzte, die zu einer Zeit, in der Frauen — wenn überhaupt — höchstens Kochbücher verfassten, kaum jemand anerkennen wollte. „Erst 100 Jahre nach ihrem Tod ist sie noch einmal ganz neu als feministische Autorin interpretiert worden“, weist Thora Krüger auf den Schaukasten, in dem unter anderem auch die altbekannten 20-Mark-Scheine mit dem Abbild der Dichterin darauf verweisen, welche hohe Bedeutung sie inzwischen in der deutschen Literatur einnimmt.

Es wird multimedial

Im Obergeschoss geht es weniger chronologisch zu, dafür rücken Autorinnen und Autoren des Kreises Warendorf in den Mittelpunkt sowie Themen, die sich wie ein roter Faden durch die westfälische Literaturgeschichte ziehen: Frühe Arbeiterdichtung ist hier ebenso zu finden wie die frechen Songs eines Franz Josef Degenhardt, die auch schon einmal der Zensur zum Opfer fielen. Am Ende der Dauerausstellung wird es multimedial: Im Cyber-Room laden Hörproben zum Reinhören ein, regt visuelle Poesie zu einer ganz neuen Art der Auseinandersetzung an, geben Schreibende aus allen Epochen im Video-Pavillon Antworten auf die Frage: „Warum schreibe ich?“

Mit allen Sinnen erleben

Der Rundgang zeigt: Das Museum für Westfälische Literatur ist ein lebendiges Museum. Zu jedem Ausstellungskapitel gibt es Erläuterungen, die Interessierte über QR-Codes mit dem Smartphone oder Audio-Guide abrufen können. Hörstationen, die über das Gelände verteilt sind, vermitteln Worte und Wörter auf einer ergänzenden Sinnesebene. Die heranwachsende Leserschaft kommt im Kellergewölbe vor schaurig-schöner Burgkulisse bei dem großen Angebot an westfälischer Kinder- und Jugendbuchliteratur auf ihre Kosten.

Workshops, Bücherflohmarkt — und Picknick

Die regelmäßigen Sonderausstellungen sind ebenfalls ein fester Programmbestandteil. „Vom Wandern“ ist die aktuelle Veranstaltung überschrieben, die noch bis zum 28. Januar 2024 zu sehen ist und auch das Gartenhaus miteinbeziehen. Bücherflohmarkt sowie kulturelle Events wie Lesungen und Musiktheater, Literatur-Workshops und -Camps sind weitere Publikumsmagneten. „Wir haben rund 20.000 Besucher und Besucherinnen pro Jahr“, bestätigt Krüger, dass Haus Nottbeck immer einen Ausflug wert ist. Und zwar selbst für Menschen, deren Interesse an Literatur eher weniger ausgeprägt sind, wie die freie Mitarbeiterin schmunzelnd bestätigt, als sie ihre kleine Gruppe zum Abschluss durch die Außenanlagen mit der ausgedehnten Obstwiese führt: „Hier kann man natürlich auch wunderbar picknicken!“, betont Thora Krüger und weist auf ein weiteres Angebot von Haus Nottbeck hin: „Die Münsterland-Picknickkiste bieten wir auf
Vorbestellung in drei Variationen an.“

Insidertipp

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Museums-Rallye
Lust auf besondere Entdeckungen rund um Haus Nottbeck? Dann ran an die Museums-Rallye!
Flyer mit den Fragen liegen im Torbogen aus. Im Anschluss warten zehn knifflige Fragen auf kleine wie größere Spürnasen. Und das Beste: Wer am Ende das richtige Schlüsselwort ertüftelt hat, darf sich einen „Schatz“ im Museumsbüro abholen!
Wir wünschen allen Entdeckerinnen und Entdeckern viel Spaß mit knarzenden Bodendielen,
rätselhaften Zahlen und verzauberten Fröschen!

Lageplan

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