Die neue Spielsaison ist Mitte Juni gestartet. Die King’s Men spielen wieder Open Air! Das – wie sie selber sagen – grenzignorierende Theater-Ensemble hat sich in dieser Saison einen neuen Shakespeare-Klassiker ausgewählt, der von der Fülle an Personen und fulminanten Handlungssträngen eigentlich nicht für eine vierköpfige Schauspiel-Truppe (plus Narr) vorgesehen ist: „King Lear". Unmöglich, denke ich im Vorfeld. Und um es vorweg zu nehmen: doch möglich! Aber nur für die King’s Men! Sie haben es erneut geschafft den Klassiker so zu inszenieren, dass das Sitzen im Publikum wieder ein reines Fest war!
Ich habe die King’s Men 2020 am Kulturgut Haus Nottbeck das erste Mal live erlebt. Hier spielten sie „Macbeth“ mit einer solchen feurigen Euphorie, dass ich die Crew seither immer und überall empfehle. Uneingeschränkt! Nicht selten wird man auf die Frage „Wie war denn die Macbeth-Inszenierung“ folgende Antwort hören: „Es war so unglaublich humorvoll, energiegeladen und mitreißend!“. Spätestens bei der Kombination aus „humorvoll“ und „Macbeth“ sollte man hellhörig werden.
Ich habe Premierenkarten für „King Lear“ für den 14. Juni ergattern können. Zur Abendstunde geht es also zum Kloster Bentlage, das künstlerische und kreative Heimat des Ensembles ist. Hier wurde das Stück ausgewählt, angepasst, an Stellen umgeschrieben, eingedampft, übersetzt, modernisiert und natürlich mit minimalistischem, nichtsdestotrotz absolut überzeugendem Bühnenbild inszeniert. Silvia Andringa, unter deren kreativer Regie die Truppe steht, hat sich einiges vorgenommen: Ein generationsübergreifendes Stück, dass das Älterwerden, den familiären sowie politischen Machtverlust und die Selbstfindung ebenso wie den Selbstverlust thematisiert. Ganz schön harter Tobak für einen Mittwochabend. Aber ich bin gewappnet: Eingecremt mit Sonnen- und Mückenschutz komme ich am Spielort an.
Dort angekommen treffe ich Gerrit Musekamp, künstlerischer Leiter der kulturellen Begegnungsstätte Bentlage, der bester Laune die Gäste begrüßt und hier ebenfalls nochmal zum Einsprühen mit Mückenschutz animiert: „Unsere idyllische Lage am Ufer der Ems hat Vor- und Nachteile…“ lächelt er den Gästen zu. Absoluter Vorteil: die schöne Kulisse, vor der die Crew ihre Bühne sowie den Bereich für Zuschauerinnen und Zuschauer aufgebaut hat. Unter einem Flex-Tent finden alle Gäste Platz, um sich die letzten Sonnenstrahlen auf die Haut scheinen zu lassen, bevor die Premiere startet.
Silvia Andringa betritt die Bühne und leitet das Stück ein: Ein paar Hintergrundinformationen zur Handlung und Produktion müssen einfach sein. Nicht zuletzt, weil wir direkt erfahren, dass das Stück dieses Mal nicht nur in drei Sprachen aufgeführt wird, sondern erstmalig mit Platt und Twents auch zwei Dialekte mitnimmt! Spannend! Hiernach direkt der Schock: Jan Sturmius Becker wird in dieser Saison die übrigen King’s Men Christian Cadenbach, Laurens ten Den und Marcell Kaiser nicht unterstützen können, da er kurzfristig erkrankt ist (An dieser Stelle die allerbesten Genesungswünsche, lieber Jan!). Jan hatte die Rolle des King Lears inne. Kurzerhand hat sich die Crew entschieden, dass Silvia die Rolle des eigensinnigen Königs übernehmen wird – und die King’s Men ihre Töchter. Ich liebe jetzt schon alles daran!
An dieser Stelle möchte ich eigentlich gar nicht weiter ins Detail gehen, weil – wie oben gesagt – ich jeder und jedem einen Besuch bei einer der Aufführungen uneingeschränkt empfehle und ich keine Spoiler bringen möchte. So viel sei gesagt: Silvia als dahinscheidender König hat jede Besucherin und Besucher emotional abgeholt. Christian, Laurens und Marcell, unter anderem in den Rollen der Königstöchter, waren wie immer erfrischend und humorvoll aber diesmal auch absolut ernst und fesselnd tiefgängig. Unterstützend kam Lloyd Philippo als musizierender Narr hinzu, der die Stimmungen des Stücks musikalisch übersetzte. Die Mehrsprachigkeit setzte bei mir irgendwann unterbewusst aus. Kaum merkt man noch, was die Truppe da eigentlich leistet: Die Leichtigkeit, mit der zwischen den Sprachen und Dialekten geswitcht wird, wird fast überhört, da man in einen solchen Sog der Storyline gerät. Ich jedenfalls würde mir das Stück jederzeit noch einmal anschauen und bleibe weiterhin treuer Fan der Gruppe!
Danke, liebe King’s Men für so viel Vielfalt und Abwechslung in unserer schönen Kulturlandschaft!
Wenn du die King’s Men diese Saison auch nochmal live in spektakulärer Atmosphäre sehen willst, kannst du dir hier die Tickets sicher. Sie machen auch nochmal Halt an zwei Schlössern im Münsterland: Schloss Raesfeld und Haus Visbeck. Ein besonderer Tipp noch zum Schluss: Das Ensemble finanziert sich über Fördermittel und einen ganz besonderen Freundeskreis: die Royal Family. Wenn du immer schon mal den Wunsch hattest ein „Royal“ zu werden, solltest du jetzt zuschlagen!