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Im Bann des Bagnos
Eine Führung in der Bagno Konzertgalerie Steinfurt

Konzertgalerie Bagno in Steinfurt

Prolog

Hier schildern zwei Personen ihre eigenen Eindrücke: Christine erzählt ihre Sichtweise in nicht-kursiver Schrift, Vicky's Eindrücke dagegen sind in kursiver Schrift.

Ein besonderer Arbeitstag beginnt

Mittwochmorgen, viertel nach neun. Ich sitze abfahrbereit im Auto und stelle überrascht fest, dass das Steinfurter Bagno, wo wir heute eine Privatführung durch die Konzertgalerie erhalten, ja eigentlich nur einen Katzensprung von Münster entfernt liegt. Reisezeit unter einer halben Stunde? Wunderbar, das verschafft mir ein wenig Zeit, noch ein paar schöne Frost-Bilder im Park zu machen, bevor wir uns mit Ellen Fraune und Ingrid Hepcke von der Steinfurt Touristik treffen. Ich schicke Vicky eine Sprachnachricht, dass ich ein wenig zu früh da sein werde.

Ich habe vollkommen die Zeit vergessen, weil der Frost die Natur so schön verzaubert hat. Auf dem Weg zum Auto habe ich mit dem Smartphone ein paar schöne Bilder und Kurzvideos aufgenommen. Blöd nur, dass ich nicht einfach früher losgefahren bin und diese Aufnahmen im Bagno-Park in Steinfurt gemacht habe.

Im Bann des Bagnos

Angekommen am Parkplatz des Bagnos merke ich direkt, wie die Natur mir den Terminstress entzieht. Der wunderschöne Park, der vor Storys und Legenden nur so überläuft, ist heute ein beliebtes Naherholungsziel: Idyllische Spazierwege, Brücken, Wälder, Wiesen, Seen treffen auf eine touristische Infrastruktur, die mir die Orientierung erleichtert. Der Park, der Bagno genannt wird, war im 19. Jahrhundert die bedeutendste Parkanlage Westfalens. Er gehörte als öffentliche Repräsentationsfläche und Flaniermeile zum Schloss Steinfurt, das auch heute noch derselben Adelsfamilie gehört, die das Schloss ihr Zuhause nennen darf. Man merkt: Das kunsthistorische Fieber hat mich längst gepackt! Wo war wohl der ehemalige Badesalon (italienisch „il bagno“), der dem Gelände einst seinen Namen gab?

Die kalten Hände in die Manteltasche und straffen Schrittes Richtung Konzertgalerie: Der freistehende Bau wirkt von außen recht aufgeräumt. Im Morgensonnenlicht verzaubert er mich trotzdem sofort. Im modernen Foyer, das hinter der Halle angelegt wurde, entdecke ich den Eingang und werde freundlich von Ellen begrüßt: „Ganz alleine?“

Stattdessen komme ich leicht gestresst einige wenige Minuten später an. Der Weg zur Konzertgalerie ist vom großen Parkplatz am Bagno-Park aber nicht weit entfernt und der Gang über die schöne Brücke durch den kleinen Ausläufer Wald, der mir erst den Blick auf die freistehende Konzertgalerie versperrt, bringt mich etwas runter. Ein Spaziergang hier wäre toll gewesen!

Nun sind alle Angemeldeten anwesend und als Überraschungsgast treffen wir auch noch Josef Schwermann, der erste Vorsitzende des Bagno-Kulturkreis Steinfurt e. V., der uns überschwänglich mit einem „Willkommen in der ältesten freistehenden Konzerthalle des europäischen Kontinents!“ begrüßt. Damit hat er mich ja direkt – ich liebe Superlative! Wir haken natürlich nach, wie das genau zu verstehen ist, und tatsächlich wurde an keinem anderen Ort in Europa eher als 1774 ein freistehendes Gebäude gebaut, dass dem alleinigen Zweck einer Konzerthalle diente. Diese Besonderheit erfüllt die Konzerthalle heute wieder und dank engagierten Personen wie Josef Schwermann gelingt dies auch sehr erfolgreich: Die Konzertsaisons starten im Juli und enden im darauffolgenden Juni und sind meistens ausverkauft.

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Frau Hepcke, übernehmen Sie!

Nun beginnt der eigentliche Teil der Führung. Ingrid Hepcke überschüttet uns mit spannenden Informationen, munteren Anekdoten und wissenswerten Legenden zu der Konzerthalle sowie dessen Erbauer Graf Karl Paul Ernst zu Bentheim-Steinfurt. Hierfür versammeln wir uns vor einem 3D-Modell, an dem sie uns das Genie (oder den Wahnsinn) dieser Bauanlage in seiner einstigen Pracht präsentiert. Ihre Begeisterung reißt uns komplett mit.

Um 1780, erklärt uns die Gästeführerin, waren ca. 500 Besucherinnen und Besucher täglich im Park. Zu damaligen Verhältnissen war das ein touristischer Magnet! Sie drückt ein Knöpfen an dem Modell und neben einer stilisierten Fontäne blinkt ein Lämpchen auf. „Sie haben damit angegeben, dass die Fontäne 15 Meter hoch sei. Tatsächlich war sie aber nur 5 Meter hoch. Werbung war damals auch schon alles!“ Sie grinst verschmitzt.

Fontänen, Chinoiserien, ein ägyptischer Turm, eine türkische Moschee, eigens angelegte Seen und eine echte Marketing-Abteilung, die sich sehen lassen konnte. Ich beginne, das Ausmaß der Anlage nur langsam zu begreifen. Die Weltoffenheit, die Reiselust und die Liebe zur Kunst des Reichsgrafen und dessen Sohn zeichneten sich in jedem angelegten Weg, Gebäude und Aufenthaltspunkt ab. Für Besucherinnen und Besucher im 19. Jahrhundert muss es ein überwältigendes Spektakel gewesen sein! Und noch dazu war der Park offen für alle! Die einzige Regel: Betreten des Parks nur im feinen Zwirn erlaubt!

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sich ein reicher Adeliger vorgenommen hat, seine Bürgerinnen und Bürger zu bilden, indem er ihnen Häuser aus fernen Ländern in einen wunderschönen Park gesetzt hat, einfach nur aus Spaß an der Freude. Wenn die damals Smartphones gehabt hätten, wäre dies vermutlich ein Reiseziel gewesen, zu dem jede und jeder wollen würde, um die bekannten Motive aus den sozialen Medien nachzuahmen.

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Durch die Schleuse zum WOW

Während wir anfangs in der modernen Empfangshalle waren, geht es jetzt durch eine sehr kalte Schleuse, die die Halle mit dem Konzertsaal wie ein Schlauch verbindet. Die seitlichen Elemente des Flurs können weggeklappt und -geschoben werden. „Das hat aber seit der Eröffnung niemand mehr gemacht“, erklärt uns Ingrid Hepcke. Dann werden vor uns die doppelseitigen Türen geöffnet und wir kommen in einen hell erleuchteten Konzertsaal. Die Farben sind sehr warm: Gold, Braun, Beige, zwischendurch ein wenig zartes Eukalyptusgrün. Die Stuckverzierungen reichen über die gesamte Fläche der Decke und Wände. Der erste Eindruck ist: Wow!

Das „Wow! hört gar nicht mehr auf: Die Stuckarbeiten, der fingierte Marmor, der Apoll in der Ofengrotte, vor der einst die adelige Familie ein lauschiges Plätzchen fand, die Spiegel, die nach dem goldenen Schnitt angelegt wurden– alles lässt die Halle noch schöner, prachtvoller und umwerfender erscheinen. In den Stuckelementen entdecken wir die Leidenschaften und besonderen Errungenschaften des Erbauers. Musizierende Putten, Reiseimpressionen aus fernen Ländern, ja, sogar die Astrologie entdecken wir und erfahren, dass es einst wirklich einen Sternengucker-Turm in Steinfurt gegeben hat. Doch man sieht auch, dass es sich hier um ein altehrwürdiges Gebäude handelt. Nicht alles wurde bisher wieder hergestellt: Die große Grotte in der Wandnische der Halle glänzte und glitzerte einst durch exotischen Muschelschmuck und antike Darstellungen. Heute gibt es Bestrebungen des Fördervereins, den einstigen Zustand wieder herzustellen.

Es ist schwer vorstellbar, wie diese prachtvolle Halle in Vergessenheit geraten konnte. Mit Napoleon und nach ihm den Preußen und der Entmachtung des Adels, begann der Park zu verfallen und die Konzerthalle verstummte.

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Insidertipp

Die Konzertkarten sind heiß begehrt und bestehende Abos werden oft weitervererbt. Allerdings gibt es auch immer Karten für Nicht-Abonnenten, also versucht euer Glück!

Ein langer Weg

Bevor die Konzertgalerie aber wieder genutzt werden konnte, war es ein langer Weg. In den 1960er Jahren gründete sich ein Förderverein, der die Statik sichern und erste Instandsetzungsmaßnahmen umsetzen wollte. Aber viel konnten sie nicht bewegen, da das Gebäude jahrelang der Witterung und dem Verfall ausgesetzt war. Die Natur hatte sich nicht nur dieses Gebäude, sondern auch alle anderen Häuser und Anlagen zurückerobert.
Die Finanzen waren begrenzt. Erst in den frühen 1990er Jahren konnten weitere Mittel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz generiert werden, um die Instandsetzung vollständig in Gang zu setzen. 1996 fand hier das erste Konzert statt.

Bester Sitzplatz? Überall!

Nachdem wir etwas Zeit hatten, die Stuckarbeiten, Farben und Figuren auf uns wirken zu lassen, schaltet die Gästeführerin die Musikanlage an und gibt uns einen Vorgeschmack davon, wie ein Konzert hier in etwa klingen würde. Der Klang ist satt und wir sitzen wie angewurzelt auf den Stühlen. „Gehen Sie mal nach ganz hinten. Die Akustik ist hinten wie vorne gleichermaßen gut. Es ist also vollkommen egal, wo Sie Ihren Sitzplatz haben.“ Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und probieren verschiedene Stühle aus. Es klingt überall gleichermaßen gut.

Mit Mozart vom Band endet unsere eindrucksvolle Führung. Wir fühlen uns beflügelt und leicht beseelt. Ich beginne zu verstehen, warum Abos der Konzertreihen quasi weitervererbt werden und man so im Handel an die begehrten Abo-Tickets gar nicht mehr dran kommt. Aber: es gibt immer genügend Tickets für jedes Konzert und ich nehme mir fest vor, noch in diesem Jahr mindestens eines der anstehenden Konzerte mitzunehmen, bevor die Spielzeit im Sommer endet.

Wenn euch unsere Eindrücke ebenfalls in einen musikalischen Rausch versetzt haben, dann schaut doch mal auf der Webseite der Konzertgalerie vorbei. Ein paar wenige Tickets sind noch zu ergattern. Und wer einfach mal so in die Parkanlage des 19. Jahrhunderts tauchen möchte, der kann über Steinfurt Marketing eine Führung durch Bagno und Konzertgalerie buchen. Wir empfehlen am besten beides zu tun.

Infos zur Konzertgalerie

Konzertkarten sind vor allem für Kurzentschlossene schwer zu bekommen. Den aktuellen Veranstaltungskalender gibt es auf der Seite der Bagno Konzertgalerie: bagno-konzertgalerie.de

Führungen durch den Bagnopark und zur Konzertgalerie gibt es als öffentliche Führungen oder als individuell buchbare Führungen bei der Steinfurt Marketing und Touristik e.V.: steinfurt-touristik.de

Lageplan Bagno Konzertgalerie

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Über Christine Konken

Hey, ich bin Christine. Mich hat es aus der italienischen Kunstgeschichte zu den Schlössern und Burgen des Münsterlandes verschlagen, um die ich mich seit 2019 beim Münsterland e.V. kümmern darf. Spannende Schlösser besuchen, besondere Burgen erleben und verschiedene Veranstaltungsformate an den Highlights unserer Region entdecken – dafür schlägt mein Herz!

Privat besuche ich nicht immer nur Schlösser und Burgen. Da spielt auch viel Musik, Kunst und Kulinarik in meine Interessensgebiete rein. Aber primär erkunde ich grade mit meinem Baby die Region: Zu Fuß mit Sport-Buggy oder auf dem E-Bike mit Babyanhänger. Und wenn der Partner und der Hund lieb sind, dann nehmen wir die auch noch mit.

Ich freue mich immer über Tipps und Anregungen, wo wir nächstes Mal reinspaziert kommen können!

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Über Victoria Lennerz

Mein Name ist Victoria und ich bin Social Media Managerin beim Münsterland e. V. Durch die Blogger- und Influencerkooperationen, die ich bei uns koordiniere, stoße ich immer wieder auf die „hidden gems“ im Münsterland dank Tipps der Einheimischen und Kooperationspartnerinnen und –partnern aus den Münsterland-Kommunen. Es freut mich jedes Mal, wenn ich meine Entdeckungen teilen und damit beweisen kann, dass das Münsterland alles andere als langweilig ist. Die meisten Orte habe ich schon selbst, mit Freunden oder meiner Familie besucht. Dadurch bekomme ich neben meinen eigenen Eindrücken auch gleich die Meinung von Außenstehenden mit, die nicht jeden Tag die „Münsterlandbrille“ auf der Nase sitzen haben. Auch wenn die Region nicht vor Höhenmetern strotzt und weltweit bekannte Wahrzeichen beheimatet, überrascht sie mich doch jedes Mal aufs Neue.

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