4 Jahre hat es bis zum Einzug gedauert, rund 26 Tonnen Restmüll wurden in dieser Zeit von dem alten Hof entfernt. Ein Kinder-Erlebnisbauernhof soll es mal werden. Noch nicht ganz fertig, aber auf dem Weg dorthin – der Engelshof in Wettringen.
Die Sonne zeigt sich noch nicht, als ich mich an diesem Morgen mit Sabine auf dem Hof treffe. Die Alpakas schauen bereits neugierig über den Weidezaun. Ich freue mich auf die Begegnung mit den Tieren und den gemeinsamen Spaziergang.
Sabine begrüßt mich gut gelaunt und erzählt mir erst einmal ein wenig über die aufgeweckten Tiere. Da sind unter anderem der kleine Charlie Brown, der mit seiner Färbung seinem Namen alle Ehre macht, Viktor, der dauerhaft etwas zu erzählen hat und Elton, der Sabine in die Altenheime begleiten darf. 18 Alpakas führt der Hof insgesamt. Die weiblichen und die männlichen stehen dabei getrennt voneinander.
„Alpakas sind keine Kuscheltiere“ informiert mich Sabine zunächst. Das liegt daran, dass die Jungtiere, auch Crias genannt, direkt nach der Geburt sehr selbstständig aufwachsen. In ihrer Heimat, den Anden, bleibt ihnen auch nichts anderes übrig. So werden die Kleinen zwar ca. 6 Monaten von ihrer Mutter gesäugt, nach der Geburt jedoch nicht sauber geleckt. Solch eine körperliche Nähe, wie es u.a. bei Pferden der Fall ist, gibt es zwischen den Alpakas nicht. Daher lassen sich die Alpakas auch ungern streicheln. Sabines Tiere sind den nahen Umgang mit Menschen jedoch gewohnt. Das Streicheln auf dem Rücken macht ihnen nichts aus, auf den Kopf sollte man allerdings nicht fassen. „Die Alpakas lieben ihre Lockenpracht und können sehr nachtragend sein,“ so Sabine über ihre Tiere. „Ich habe einmal einer Alpaka-Dame den Kopf geschoren, das hat sie mir ein Jahr lang nicht verziehen und immer wieder nach mir gespuckt.“
Mittlerweile ist die Freundschaft wieder hergestellt und die Wogen sind geglättet. Alpakas haben jedoch ein sehr gutes Gedächtnis und können bei der Schur überaus eigen sein. Da der Sommer vor der Tür steht, haben Sabines Tiere das Fell bereits abgegeben. Auf dem Kopf, an den Beinen und am Schwanz bleibt die kuschelige Wolle jedoch stehen – auch aus ästhetischen Gründen.
Wie unterschiedlich die Charaktere der Tiere sein können, zeigt auch ihre Reaktion im Umgang mit den Menschen. Bevor Sabine mit ihren Besuchern auf einen Spaziergang geht, unterhält sie sich mit ihnen, erzählt über ihre Tiere. Meistens stellt sich dann schnell heraus, welches Tier für welche Person geeignet ist. Sabines persönlicher Liebling ist Captain Jack. „Er macht einfach alles mit, Pepper hingehen ist eher ängstlich“. „Unser Victor erzählt und erzählt und hört gar nicht mehr auf. Unsere Plaudertasche eben“, so Sabine über ihre Tiere.
Die Domestizierung dieser Kamelart fand ihren Ursprung vor 6.000 bis 7.000 Jahren. Während das Lama in Südamerika eher als Lasttier eingesetzt wurde, diente das Alpaka der Gewinnung von Wolle. Zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert, zu den Zeiten der Inka, war die Kleidung aus Alpakawolle noch ein Zeichen von Wohlstand. Nach der Eroberung Perus durch die Spanier (1532-1535), die selbst Schafe mitbrachten und kein Interesse an der Erkundung der einheimischen Tiere zeigten, entwickelte sich das Alpakas zum Nutztier der armen, indigenen Bevölkerung und war zwischenzeitlich fast ausgestorben.
Nachdem wir uns eine Weile über die Tiere unterhalten haben, öffnen wir das Gatter zur Koppel. Die Tiere sind neugierig und freudig aufgeregt. Schnell laufen sie rüber in den Stall. Die Wände sind mit Alpaka-Spucke übersät. Sabine verrät mir, dass die Tiere unter anderem bei Futterneid anfangen zu spucken. Aber jetzt heißt es Halfter an und los. Ich gehe mit Charlie Brown, Sabine mit Elton. Gemächlich schlendern wir den Feldweg entlang. Tatsächlich muss ich mich an den langsamen Gang der Tiere gewöhnen. „Entschleunigung“ ist hier wohl das richtige Stichwort und nun verstehe ich, warum man im dem Spaziergang mit den Tieren eine solche Entspannung findet. Sie haben ihr ganz eigenes Tempo, strahlen eine unglaubliche Ruhe aus und lassen den Stress des Alltags vergessen.
Ich lasse meinen Blick über die Felder und Wiesen streifen – schön ist es hier.
Auf dem Heimweg zieht Elton das Tempo an. „Er möchte nur zurück zu seinem besten Freund Viktor,“ lacht Sabine. Elton und Viktor sind unzertrennlich. Wenn Elton mal ohne Viktor zu Hause bleiben soll, springt er aus dem Stand bis zu 1,40 m hoch und schließt sich dem Spaziergang ganz ungefragt an. Ohne Viktor an seiner Seite geht es einfach nicht.
Unterwegs erzählt mir Sabine von Kindergeburtstagen, Junggesellinnenabschieden, Besuchen im Altersheim und Treffen mit Menschen mit Behinderungen. Alle Arten von Begegnungen zwischen den Tieren und den Menschen liebt Sabine, vor allem aber mag sie die Junggesellinnenabschiede. „Die sind immer gut drauf und haben ganz viel Spaß, das gefällt mir! Betrunken kommt mir aber keiner auf den Hof und an die Tiere,“ das ist für Sabine ganz klar. Das Wohl der Tiere steht für sie immer an erster Stelle und dass dem so ist, wird in unserem Gespräch an vielen Stellen deutlich. Ein für mich wichtiger Punkt, den ich sehr zu schätzen weiß.
Zurück am Hof darf ich dann noch einen Blick auf das erste Babyalpaka des Jahres werfen. So eine geballte Niedlichkeit macht mich sprachlos und auch Philipp, unser Fotograf, der den Besuch begleitet, ist ganz aus dem Häuschen. Das kleine Alpaka jagt von einer Hofecke in die andere, hüpft und springt durch die Gegend – lebendig bis in die kleinste Haarspitze und dazu noch super flauschig. „Die Mutter scheren wir heute Nachmittag,“ gibt Sabine mir als Info mit auf den Weg. „Die sieht jetzt nach der Geburt und von der Zeit im Stall noch etwas zerzaust aus."
Alles in allem war es ein wunderbarer Ausflug, den ich absolut empfehlen kann und den ich gerne wiederhole.
Danke Sabine, dass wir das bei dir erleben durften!
Der Spaziergang mit den Alpakas geht über Feld- und Wiesenwege durch die schöne Natur Steinfurts. Nehmt euch daher festes Schuhwerk, wie Turnschuhe, mit. Die Alpakas sind zwar keine Schwergewichte, dennoch schadet ein geschlossener Schuh nicht, falls euch eines der Tiere versehentlich auf den Fuß tritt.
Besucht Sabine auf dem Engelshof: https://engelshof.farm/